Pancha Kosha

Die fünf Schichten, die im Sanskrit als „Pancha Kosha“ bezeichnet werden (wobei „Pancha“ für „fünf“ und „Kosha“ für „Schicht“ steht), sind:

  • Annamaya Kosha, die physische Schicht
  • Pranamaya Kosha, die energetische Schicht
  • Manomaya Kosha, die mentale Schicht
  • Vijnanamaya Kosha, die intellektuelle Schicht
  • Anandamaya Kosha, die spirituelle Schicht

Diese Pancha Kosha beschreiben die verschiedenen Ebenen, über die wir unsere Existenz erleben, verarbeiten und ausdrücken. Oft werden sie wie die Schichten einer Zwiebel dargestellt, was jedoch nur der Veranschaulichung dient. Tatsächlich sind die Koshas nicht getrennt, sondern durchdringen einander und beeinflussen sich gegenseitig. Anstatt von außen nach innen zu verlaufen, repräsentieren sie eine Entwicklung vom physischen über den geistigen bis hin zum spirituellen Aspekt unserer menschlichen Erfahrung.

Das Verständnis der fünf Koshas ist äußerst wertvoll, wenn du dich selbst auf ganzheitliche Weise verstehen möchtest, um dein Wohlbefinden und deine Entwicklung umfassender zu fördern. Dieses Bewusstsein ermöglicht es dir, gezielt körperliche, energetische und geistige Blockaden zu erkennen und zu lösen, wodurch verborgenes Potenzial freigesetzt werden kann.

Durch die Praxis des Yoga kannst du auf jede dieser Schichten einwirken, um sie miteinander in Einklang zu bringen und so ein harmonisches Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele zu erreichen.

Pancha Kosha

Das Kosha-Modell wird erstmals in der „Taittirya Upanishad“ beschrieben, einem Abschnitt des Vedanta, der auch als „Ende des Wissens“ bezeichnet wird. Diese Schriften sind Teil der Veden, der heiligen Texte Indiens, und stammen aus dem 5. oder 6. Jahrhundert vor Christus. In diesen Texten sucht der weise Seher Rishi Bhrigu nach dem Verständnis von Brahman, dem Absoluten, das als Ursprung und Fundament allen Seins gilt. Brahman ist das Eine, aus dem alles hervorgeht, in dem alles existiert, und in das schließlich alles zurückkehrt.

Bhrigu erkennt Brahman zuerst in der physischen Ebene, der Nahrung (Annamaya Kosha), dann in der Lebenskraft (Pranamaya Kosha), weiter im Denken und im Fühlen (Manomaya Kosha), daraufhin im Wissen (Vijnanamaya Kosha) und schließlich in der Glückseligkeit (Anandamaya Kosha). Dabei wird ihm bewusst, dass Brahman in all diesen Schichten gegenwärtig ist, jedoch nicht auf eine davon beschränkt werden kann. Im innersten Kern, dem Anandamaya Kosha, findet er den Atman, das unsterbliche Selbst oder die Seele. Die vollständige Erkenntnis von Brahman wird erst dann erreicht, wenn dieses individuelle Selbst mit dem universellen Selbst eins wird.

Annamaya Kosha ist der physische Körper, auch bekannt als die grobstoffliche Hülle. Der Begriff „Annamaya Kosha“ setzt sich aus den Sanskritwörtern „anna“ für „Nahrung“, „maya“ für „bestehend aus“ und „kosha“ für „Hülle“ zusammen. Wörtlich bedeutet dies also „die Hülle, die aus Nahrung besteht“. Der Spruch „Du bist, was du isst“ trifft hier besonders zu, da der Körper durch Nahrung geformt wird und sich durch sie erhält und erneuert.
Durch Asanas, die Körperhaltungen im Yoga, wird der Körper ins Gleichgewicht gebracht, gestärkt und flexibler gemacht. Diese Praxis ist der direkte Weg, um auf Annamaya Kosha einzuwirken und diese Hülle positiv zu beeinflussen. 
Da Yoga jedoch immer einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt und die Koshas sich gegenseitig durchdringen und beeinflussen, hat jede Körperhaltung nicht nur eine physische, sondern auch eine energetische und mentale Wirkung. Wenn du beispielsweise den Kopf und die Schultern hängen lässt, wirkt sich das negativ auf deine Gedanken und Gefühle aus und lässt auch deine Energie sinken. Im Gegensatz dazu kann eine aufrechte Körperhaltung deine mentale Verfassung und Energie positiv beeinflussen und dich aufrichten.
Umgekehrt spiegelt der Körper oft Zustände wider, die auf einer anderen Ebene ihren Ursprung haben. Das zeigt sich beispielsweise, wenn mentaler Stress zu körperlichen Verspannungen führt oder psychosomatische Erkrankungen entstehen. Da die Ursache häufig nicht direkt erkennbar ist, kann die Asana-Praxis helfen, das Ungleichgewicht über körperliche Symptome anzugehen. Wenn sich der Knoten auf der grobstofflichen, körperlichen Ebene zu lösen beginnt, wird oft der zugrunde liegende feinstoffliche Ursprung sichtbar, der dann gezielt auf dieser Ebene bearbeitet werden kann.
Der Körper spiegelt also auch geistige, mentale und energetische Zustände wider, und du kannst über den physischen Körper auf diese Ebenen einwirken. Trotzdem bezieht sich Annamaya Kosha ausschließlich auf den physischen Leib und seine Funktionen. In günstigen Lebensumständen ist ein gesunder Körper, so komplex er auch ist, relativ unkompliziert zu pflegen. Wenn du die Signale deines Körpers ernst nimmst, sie richtig interpretierst und seine Bedürfnisse nach Nahrung, Ruhe und Bewegung erfüllst, bist du auf der Ebene von Annamaya Kosha bereits gut aufgestellt.

Pranamaya Kosha ist die Hülle der Lebensenergie. Der Begriff „Prana“ steht für „Energie“ und „maya“ bedeutet „bestehend aus“. Zu dieser Energiehülle gehören die Chakras, die Energiezentren des Körpers, sowie die Nadis, die Bahnen, durch die die Energie fließt. Prana wirkt als die formgebende und regulierende Kraft hinter allen körperlichen, mentalen und geistigen Prozessen, insbesondere durch die spezifischen Bewegungen der Energie, die als Vayus bekannt sind.

Albert Einstein sagte einst: „Was wir Materie nennen, ist Energie, deren Schwingungen so weit reduziert wurden, dass sie von unseren Sinnen wahrgenommen werden können… Das ist keine Philosophie, das ist Physik.“ Damit beschreibt er Energie als Bindeglied zwischen der grobstofflichen und der feinstofflichen Ebene. Prana tritt also in unterschiedlichen „Dichten“ auf.

Im Körper kann Prana in weniger subtiler Form durch Empfindungen wie Kribbeln, Pulsieren oder Wärme wahrgenommen werden, was einen Zugang zu dieser oft schwer fassbaren Hülle ermöglicht. Energie kann sich auf unterschiedliche Weise ausdrücken: Sie kann hoch oder niedrig, harmonisch oder disharmonisch sein. Wenn Pranamaya Kosha nicht im Gleichgewicht ist, kann ein Übermaß an Energie Unruhe und Nervosität verursachen, während ein Mangel an Energie es schwierig machen kann, sich zu entspannen.

Eine Yoga-Praxis, die auf Pranamaya Kosha abzielt, hat in erster Linie das Ziel, den Energiekörper zu harmonisieren und zu stabilisieren. Dies wird am effektivsten durch yogische Atemübungen, das sogenannte Pranayama, erreicht. Die Wechselatmung, Nadi Shodhana, hat beispielsweise eine ausgleichende Wirkung. Mit fortgeschrittenen Pranayama-Techniken kann die Energie bewusst gesteuert werden, indem ihre Frequenz erhöht, gesenkt oder in andere Bahnen gelenkt wird. Es ist jedoch wichtig, dass Pranamaya Kosha zuvor in ein stabiles Gleichgewicht gebracht wird, bevor solche Techniken angewendet werden.

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Manomaya Kosha ist die mentale Ebene, auch bekannt als die mentale Hülle. Der Begriff „Mano“ in Manomaya Kosha leitet sich von „manas“ ab, einem Sanskritwort für den Geist. Diese Hülle repräsentiert das Unterbewusstsein und das gesamte mentale Erleben. Alle Erfahrungen, die du jemals gemacht hast, die Emotionen, die diese Erlebnisse ausgelöst haben, und die daraus resultierenden persönlichen Muster sind hier gespeichert. Diese gespeicherten Informationen erzeugen einen nahezu ununterbrochenen Strom von unwillkürlich auftauchenden Gedanken und Gefühlen, die als Reaktion auf deine Umwelt entstehen.

Die Realität ist ein sehr subjektives Konstrukt, und zwei Menschen können die gleiche Situation völlig unterschiedlich wahrnehmen, abhängig davon, was in ihrer Manomaya Kosha abgespeichert ist. Diese Hülle ist wie eine innere Biographie und der Projektor deiner ganz persönlichen Realität, deines eigenen Films. Das Drehbuch kann nervenaufreibend, frustrierend oder schön sein, je nachdem, wie du geprägt bist und was dich gerade beschäftigt.

Die geeignete Yoga-Praxis für Manomaya Kosha ist die Meditation. Sie ermöglicht „yogaścittavṛttinirodhaḥ“, was im Yogasutra von Patanjali (Kapitel 1, Vers 2) als „das Zur-Ruhe-Kommen der geistigen Aktivitäten“ beschrieben wird. Ein klarer Geist hilft dir, von einem eher unbewussten und impulsgesteuerten Leben zu mehr Bewusstheit zu gelangen, sodass du die Wirklichkeit nicht mehr nur durch den Filter deines persönlichen Films wahrnimmst. In diesem Zustand bist du nicht länger den äußeren Umständen oder deinen unterbewussten Mustern ausgeliefert. Mit dem Mittel der Achtsamkeit kannst du bewusst entscheiden, welchen Gedanken du folgen und in welche Gefühle du investieren möchtest. Du beginnst deine Lebensgeschichte bewusst nach deinen eigenen Vorstellungen und Zielen zu gestalten.

Vijnanamaya Kosha bedeutet wörtlich „die Hülle aus Erkenntnis“ und bezieht sich auf das bewusste Denken, im Gegensatz zu den unbewussten Gedankenprozessen in Manomaya Kosha. Durch bewusstes Denken in Vijnanamaya Kosha kannst du den „persönlichen Schleier“ durchdringen und einen tieferen Zugang zur Wirklichkeit sowie zu einer universellen Wahrheit finden.

Eine geeignete Yoga-Praxis für diese Ebene ist Svadhyaya. Der Begriff setzt sich aus den Sanskritwörtern „sva“ (selbst oder „zu mir gehörig“) und „adhyaya“ (Untersuchung, Studium oder Erforschung) zusammen. Wörtlich bedeutet Svadhyaya also „Selbststudium“. Es geht darum, die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen zu beobachten, zu hinterfragen und kontinuierlich zu reflektieren, um mehr Bewusstheit und Klarheit zu erlangen. Traditionell bezieht sich Svadhyaya auch auf das Studium der „heiligen Schriften“ und alten Weisheitstexte Indiens, doch im heutigen Kontext kann es auch die Auseinandersetzung mit inspirierenden Themen bedeuten, die den Horizont erweitern und über persönliche Sichtweisen hinausgehen.

Der Verstand ist ein kraftvolles Werkzeug, wenn er bewusst genutzt wird, um zu analysieren, zu verstehen, zu planen oder etwas Neues zu entwickeln. Wenn man sich jedoch in unbewussten Gedankenspiralen verliert, wird der Verstand zum Meister und kann zu einer Belastung werden. Der Versuch, den Geist zur Ruhe zu bringen, gehört in den Bereich von Manomaya Kosha – in Vijnanamaya Kosha geht es hingegen um Klarheit und die Kraft des bewussten Denkens.

Neben Svadhyaya ist auch Dharana eine geeignete Praxis für diese Hülle. Dharana bedeutet „Konzentration“ und bezieht sich auf Meditationsübungen, bei denen die Aufmerksamkeit vollständig auf eine Sache gerichtet wird, wie zum Beispiel auf eine Flamme oder das Ajna Chakra, das dritte Auge. Diese Praxis stärkt den „geistigen Muskel“ und fördert gleichzeitig die bewusste Entspannung. Dadurch entsteht Raum für Inspiration, Einfälle und Intuition – und genau das macht Vijnanamaya Kosha zur „Hülle aus Erkenntnis“.

Anandamaya Kosha ist die spirituelle Hülle, auch bekannt als die Hülle des spirituellen Erlebens. Der Begriff „ananda“ bedeutet „Glückseligkeit“, und somit ist Anandamaya Kosha die „Hülle, die aus Glückseligkeit besteht“. Sie bildet die innerste Schicht um das wahre, unsterbliche Selbst, das auch als „Seele“ oder „Atman“ bezeichnet wird. Dieses Selbst kannst du dir als einen unsterblichen Funken vorstellen, der aus der zeit- und formlosen kosmischen Ewigkeit stammt – dem Ursprung, aus dem alles entsteht und in den alles zurückkehrt. Dieser göttliche Funke umhüllt sich mit Geist, Energie und Körper, um eine individuelle, irdische Erfahrung zu machen.

Die Yoga-Praxis kann als der Weg verstanden werden, der durch den Körper zurück zu diesem Selbst führt. Der Begriff „Yoga“ wird oft mit „Einheit“ übersetzt – wenn man durch alle Hüllen hindurchgeht und in Anandamaya Kosha eintaucht, kehrt man zurück zu dieser ursprünglichen Einheitserfahrung, die im Yoga angestrebt wird.

Dies geschieht in Zuständen tiefer Meditation, in denen die Grenzen von Körper und persönlicher Identität verschwinden. In diesem Zustand gehst du über den Verstand hinaus – da der Verstand die Seele nicht erfassen kann, spricht man in diesem Zusammenhang eher von „Erfahrung“ als von „Verstehen“. Dieses tiefe Erleben findet in Anandamaya Kosha statt, das nicht das Selbst ist, sondern das Feld, in dem die Eigenschaften des Selbst zum Ausdruck kommen.

Diese Eigenschaften sind Sat-Chit-Ananda – „reines Sein“, „reines Bewusstsein“ und „Glückseligkeit“. Sie werden als tiefe, anhaltende Freude erlebt, die unabhängig von äußeren Umständen ist. Es gibt keine spezifische Technik, um Anandamaya Kosha direkt zu erreichen, und dieser Zustand kann nicht willentlich herbeigeführt werden; er geschieht einfach. Doch durch eine regelmäßige und beständige Yoga-Praxis mit Asanas, Pranayama und Meditation kannst du den Weg in die richtige Richtung einschlagen und Sat-Chit-Ananda immer näher kommen.